Samstag, 12. Juli 2014

12.07. Cats & Crosses

Ich bin in Lettland eigentlich nur auf Durchreise gewesen. Heute morgen nach dem 2. Kaffee habe ich meinen kleinen See-Campingplatz verlassen und habe als Ziel mal Siauliai ins Navi eingegeben. Das ist schon Litauen.
Auf der Schotterpiste zur Hauptstraße kreuzte eine Katze meinen Weg und beäugte mich misstrauisch. Ich habe ihr aber gleich klargemacht, dass sie gar nicht so böse gucken muss, denn immerhin bin ich  unterwegs zum ... jawohl: Katzenmuseum :) Beim Blättern im Reiseführer war das nämlich das einzige Ziel in Siauliai-Stadt, das mich so wirklich interessiert hat.
Am frühen Nachmittag stand ich schon dort vor der Tür. Nach den russischen Endlosstrecken muss ich mich erst wieder daran gewöhnen, dass man hier in einem halben Tag schon quer durchs ganze Land fahren kann ...
 

Das Katzenmuseum ist eigentlich ein Sammelsurium aller möglichen Bilder, Skulpturen, Spiele, Plüschtiere, Kalender, Tassen etc., eben alles, worauf man eine Katze drucken oder woraus man eine formen kann. Und da es ja viele verrückte Katzenliebhaber gibt, die für sowas auch noch Geld ausgeben, existiert dergleichen reichlich. Das Museum wurde von einer Katzenfanatikerin gegründet und bekommt mittlerweile "Exponate" aus aller Welt geschenkt.
 
 

Zusätzlich zum Katzenalarm engagiert sich das Museum auf andere Weise für den Tierschutz: Es nimmt Tiere aus schlechter Haltung in Obhut, und Schulkinder kümmern sich um sie.
Ich glaube zwar nicht, dass die Tierhaltung dort in den beschränkten Käfigen und Terrarien so super artgerecht ist (eine Meerkatze war dabei, 2 kleine Kaimane, eine Python, eine Eule - um nur Beispiele zu nennen) , aber wahrscheinlich sind da schon alle Möglichkeiten ausgeschöpft, und wer weiß, wie schlecht es den Tieren vorher ging. Hier kümmert man sich wenigstens dauerhaft und liebevoll um sie.

In der Fußgängerzone von Siauliai habe ich anschließend eine der schlechtesten Pizzen meines Lebens gegessen. Ein bleiches labbriges Etwas, dem viele Ofenminuten und mindestens ein versprochener Belag fehlten, und der "homemade Kwas" war eine Standard-0,33l-Flasche. "CanCan Pizza" kann ich also überhaupt nicht empfehlen, die müssten CanNot Pizza heißen ...

Am frühen Abend bin ich dann 10km nach Norden gefahren - dort ist nämlich das, was mich eigentlich in die Gegend von Siauliai gezogen hat: Der Berg der Kreuze (Hill of Crosses). Ich hatte schon davon gehört, aber keine so rechte Vorstellung.
Auch aus der Entfernung wirkt der Hügel noch eher unscheinbar.

Je näher ich allerdings kam, desto staunender und sprachloser wurde ich.

Eine unvorstellbare Menge von Kreuzen jeglicher Größe steht und liegt und hängt hier.

Und ich mag nicht daran denken - und muss es aber ständig -, dass hinter jedem dieser großen und kleinen, hölzernen oder metallenen, alten und neuen, schlichten und aufwendigen, dieser Millionen Kreuze womöglich ein Todesfall oder große Verzweiflung oder große Hoffnung steht. Soviel geballte individuelle Schicksalsbezeugungen auf einen Schlag konnte ich gar nicht gut ertragen.
Und dann weht dort ein Wind, der die hängenden Ketten und Rosenkränze leise klingen und klimpern lässt, da wird einem ganz flau. Ich habe nicht die richtigen Worte dafür - es war auf der einen Seite schön, aber auf der anderen Seite irgendwie bedrückend für mich.

Improvisiert - oder war gar ein Ketzer am Werk? ;)
Passend dazu zog eine milde graue Wolkendecke über die Landschaft, durch die sich hin und wieder die Sonne zeigte.

Ein beeindruckender Besuch also.

(Ich habe später von Vaidas erfahren, dass bereits zu Sowjetzeiten die Menschen hier Kreuze aufstellten, die jedoch dann von Amts wegen immer wieder plattgemacht wurden. Unter den mit der Beseitigung Beaufragten gab es dann plötzlich eine Reihe mysteriöser Todesfälle, und irgendwann war niemand mehr bereit, die Kreuze zu zerstören, sodass der Berg wachsen konnte ...)

Und jetzt sitze ich auf einem abgelegenen Waldcampingplatz (ohne alles) im Zemaitija-Nationalpark und wundere mich, dass hier überhaupt Handyempfang ist ...
Der Platz ist aber mitnichten kostenfrei - jeden Abend kommt eine Nationalpark-Mitarbeiterin vorbeigefahren und kassiert (7L/Auto + 6L/Person), so ähnlich wie in den kalifornischen Nationalparks, wo ich mal im Miet-Bulli unterwegs war.

Übrigens habe ich heute 15 Störche gezählt - dieser hier hat sogar geklappert wie es sich gehört:
Vier Störche auf einmal sah ich im Kielwasser eines Traktors, der neben der Straße ein Feld mähte. Anscheinend gibt es da besonders viel zu picken, und schon gleich mundgerecht zerkleinert ...

Apropos essen: Als Abendbrot gönnte ich mir die zweite Fuhre Pfifferlinge, diesmal mit Tomaten und Nudeln in Kokosmilch.

Wenn man nämlich von den Bäuerinnen am Straßenrand etwas kauft, dann eigentlich eimerweise, wie es dort auch präsentiert wird. Eine kleine Portion passt nicht ins Konzept, und ich musste immer ein bisschen diskutieren, bis ich sie überzeugen konnte, mir bitte nur eine kleine Menge zu verkaufen ... Diese Pfifferlinge, von denen ich gestern und heute je 2 Portionen Abendessen machen konnte, waren die Hälfte des kleinsten Eimers, und das auch eher widerwillig.

Die Frau, die mir auf dem Markt in Samara zwei Tomaten, zwei kleine Zwiebeln und eine Minigurke verkauft hatte, war ebenfalls sehr verwundert. Hat mir aber nur 14 Rubel abgenommen.

Es regnet, ist gemütlich, und ich gehe schlafen.